Energiebedarfsberechnung und Ermittlung von Einsparpotentialen
Neben der Untersuchung und Analyse des baulichen Zustands von Burg Rieneck wurden die vorhandenen energetischen Verhältnisse ermittelt und ausgewertet. Erst die Kombination beider Komponenten bietet eine fundierte Grundlage zur Entwicklung eines energetischen Sanierungskonzeptes.
Zuerst wurde die Energiebilanz des Gebäudekomplexes gemäß den geltenden gesetzlichen Vorschriften der EnEV 2009 nach DIN 18599 mit den Randbedingungen des öffentlich-rechtlichen Nachweises berechnet. Da es sich um Bestandsgebäude handelt, mussten zunächst aufwändig die der Berechnung zugrundliegenden Parameter (Flächen- und Rauminhalte, Beschaffenheit der Hüllflächen, Fensterflächenanteil, solare Gewinne etc.) ermittelt werden. Angewendet wurde das Referenzgebäudeverfahren, das seit der letzten Novellierung der EnEV im Jahre 2009 auch für Wohngebäude vorgeschrieben ist. Im Ergebnis darf der Jahres-Primärenergiebedarf eines bestehenden Wohngebäudes bei der Sanierung den Wert des Referenzgebäudes um nicht mehr als 40% überschreiten. Gleiches gilt für den Höchstwert des spezifischen, also auf die wärmeübertragende Umfassungsfläche bezogenen Transmissionswärmeverlust des Bestandsgebäudes. Die Berechnung ergab für das Referenzgebäude einen Primärenergiebedarf von ca. 715.000 kWh/a. Inklusive der zulässigen 40-prozentigen Überschreitung dürfte Qp also nicht höher sein, als ca. 1.001.000 kWh/a. Ermittelt wurde für Burg Rieneck im derzeitigen Zustand aber ein Primärenergiebedarf von ca. 1.770.000 kWh/a. Damit verbraucht der Gebäudekomplex rechnerisch etwa doppelt so viel Energie, wie von der EnEV vorgesehen ist.
Diesem, für sich gesehen, vernichtenden Ergebnis für die Bewertung von Burg Rieneck in energetischer Hinsicht, stehen die realen, über einen Zeitraum von 14 Jahren belegten Verbrauchsdaten der Burg entgegen. Hierdurch wird ein tatsächlicher Energiebedarf von lediglich ca. 410.000 kWh für Heizung (ca. 318.600 kWh/a) und Bereitung von Trinkwarmwasser (ca. 91.400 kWh/a) belegt. Dieser Wert liegt weit unter dem rechnerisch nach DIN 18599 ermittelten Endenergiebedarf Heizung Qh,e und Trinkwarmwasser Qw,e von ca. 1.431.000 kWh/a. Es zeigt sich damit, dass die nach dem gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren gewonnenen Werte extrem von den tatsächlichen Energieverbräuchen abweichen. Sie sind also sowohl für eine reale Beurteilung, als auch für die Ermittlung des tatsächlichen Einsparpotentials bei der energetischen Sanierung von historischer Bausubstanz praktisch unbrauchbar.
Um die tatsächlichen Energieeinsparpotentiale entsprechend der Zielformulierung des Vorhabens ermitteln und abwägen zu können, wurde daher auf eine Berechnung des Heizwärmebedarfes Ht, der sich aus den Transmissions- und Lüftungswärmeverlusten abzüglich der solaren und internen Wärmegewinne ergibt, zurückgegriffen.
Der ermittelte Heizwärmebedarf je Bauteil wurde mit den Gradtagszahlen multipliziert (Heizperiode 225 d/a; Heizgrenztemperatur 12°C). Dieser moderat gewählte Wert soll die große Temperatur-Trägheit der Konstruktion und das tiefe Absenken der Raumtemperatur außerhalb der Nutzungszeit abbilden. In der Summe ergab dies einen Heizwärmebedarf für den Bestand von ca. 565.000 kWh/a anstatt 1.065.000 KWh/a in der Berechnung nach DIN 18599. Dieser Wert liegt zwar immer noch höher, als der gemessene Verbrauchswert, ist aber wesentlich realistischer. Bei einer Annahme eines Anteils von 23 % für die Trinkwarmwassererzeugung ergibt sich ein Endenergiebedarf für Heizung und Warmwasser im Bestand von ca. 700.000 kWh/a.
Da für die Ermittlung des Heizwärmebedarfs alle Bauteile mit ihren Einzelkomponenten erfasst wurden, konnten in Folge leicht die Auswirkungen von einzelnen Veränderungen und somit die tatsächlichen Energieeinsparpotentiale von Nachdämmmaßnahmen hinsichtlich ihrer Effizienz überprüft und gewertet werden.
Besonders intensiv wurde das Energieeinsparpotential in den Fenster-/Heizkörpernischen untersucht. Mit einem Simulationsprogramm für Wärmebrückenberechnungen wurde die Geometrie der Heizkörpernischen abgebildet, zunächst mit den Standard-Randbedingungen für Raumbeheizung versehen. Vergleichend wurde statt dem normalen Innenputz (d = 3 cm) ein Perlite-Dämmputz (λ = 0,077 W/(m²K)) eingegeben und berechnet. Dieser wurde in der Heizkörpernische mit 6 cm, in den Fensterlaibungen von 6 cm (am Fenster) auslaufend auf 3 cm angenommen. Als dritte Variante wurde ein Aerogel-Dämmputz (λ = 0,03 W/(m²K)) eingesetzt. Ergänzend wurde noch eine weitere Variante mit 12 cm starken Dämmstoff mit λ = 0,025 W/(m²K) als Dämmung hinter dem Heizkörper berechnet, dessen Einsatz geringfügige Umbauarbeiten hinsichtlich der Heizkörperanbringung mit sich bringen würde.
Die Standard-Randbedingungen wurden modifiziert, um den Einfluss von realistisch erhöhten Temperaturen an der Fensterscheibe und hinter dem Heizkörper zu berücksichtigen. Zwischen Heizkörper und Wand wurde eine Durchschnittstemperatur von 45°C, resultierend aus der maximalen Vorlauftemperatur im Winter (70°C) im oberen Teil des Heizkörpers und einer Absenktemperatur während der Nicht-Nutzungszeiten oder in der Übergangszeit der Heizperiode, angenommen. In den Randbereichen neben dem Heizkörper und an den ersten 20 cm der Laibung wurde eine Temperatur von 30°C angenommen. Für die Bereiche hinter dem Heizkörper und zu Beginn der Laibung wurde der Wärmeübergangswiderstand von 0,13 W/(m²K) für Innenräume auf 0,04 W/(m²K) reduziert, um den erhöhten Luftgeschwindigkeiten durch Konvektion am Heizköper Rechnung zu tragen. Für die Heizperiode wurde ein Wert von 225 Heiztagen mit einer Heizgrenztemperatur von 12°C (~ Bauten, nach Wärmeschutzverordnung 1984) statt 15°C angenommen. Der relativ günstige Wert (kurze Heizperiode) soll die große Speicherkapazität des dicken Mauerwerks wiederspiegeln.
Aus dem Vergleich der Varianten lassen sich der Einflussbereich und die Temperaturdifferenz auf der Wandaußenseite um die Heizkörpernische ablesen. Es ergibt sich für die Heizkörpernische eine Erhöhung des Wärmestroms gegenüber den Standardwerten um den Faktor 2,6. Die Nachdämmung hinter den Heizkörpern in den Heizkörpernischen hat entsprechend eine überproportional große Bedeutung. Durch den Einsatz von Folien zur Reflektion der Wärmestrahlung lässt sich der Effekt weiter verbessern.
Das gleiche Verfahren wurde für den Fensterbereich über der Heizkörpernische verwendet. Die Standard-Randbedingungen wurden entsprechend modifiziert, um den durchschnittlichen Wärmestrom während der Heizperiode darzustellen. An der Scheibe wurde eine durchschnittliche Raumlufttemperatur von 30°C angenommen. Hierbei wurden die höheren Werte direkt über der Fensterbank und die geringeren in Fenstermitte berücksichtigt. Die Übergangsbeiwerte von 0,13 W/(m²K) auf 0,04 W/(m²K) reduziert, da durch den ständigen Luftstrom an der Scheibe der Wärmeübergang von der Raumluft auf die Fensterscheibe verstärkt stattfindet und die wärmedämmende (stehende) Luftschicht immer wieder durch die
nachströmende Luft verdrängt wird. Der durchschnittliche Wärmestrom während der Heizperiode wurde ermittelt und mit dem Wärmestrom bei Standard-Randbedingungen verglichen. Hieraus ergibt sich, dass real etwa 1,6 mal so viel Wärme durch das Fenster verloren geht, als bei Norm-Temperaturen von 20°C Raumtemperatur und einer mittleren Außentemperatur von 5°C.
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